In einer Auswahl der wichtigsten patristischen Werke mussen ohne Zweifel auch die Briefe des heiligen Chrysostomus vertreten sein, denn sie erheben gerechten Anspruch auf unser Interesse als reichhaltige Quellen fur die damalige Geschichte der Kirche, als Beitrage zur Charakteristik des ehrwurdigen Verfassers, als ergiebige Fundgruben christlicher Lebensweisheit, ihrer formalen Vorzuge nicht zu gedenken. Selbstverstandlich gehoren dazu auch die Werke, die Chrysostomos wahrend des Quasimartyriums einer dreijahrigen Verbannung verfasst hat, und die sich vielfach zu Erbauungsschriften gestalteten. So ist es besonders mit den Briefen an Olympias, die einen reichen Schatz gesunder Aszese bergen und namentlich das Thema von der Heilsamkeit der Leiden in vielen Variationen und auf die ansprechendste Weise behandeln. Die heilige Diakonissin Olympias hingegen, an welche er siebzehn Briefe gerichtet hat, wird uns als eine in jeder Beziehung hervorragende Personlichkeit geschildert. Sie war aus edlem Geschlecht, Enkelin des Ablavius, Obersten der kaiserlichen Leibwache unter Konstantin dem Groen. Nachdem sie schon in fruher Kindheit ihre noch heidnischen Eltern verlor, hatte sie das Gluck, dass die fromme Theodosia, Schwester des heiligen Amphilochus, sich ihrer mutterlich annahm. Als Erbin unermelicher Reichtumer, als vielbewunderte Schonheit, und zugleich geschmuckt mit den herrlichsten Vorzugen des Herzens und des Geistes, wurde sie schon in zarter Jugend von hochgestellten Mannern zur Ehe begehrt.