Erinnerungsinhalte werden nicht aus einem Speicher abgerufen, sondern jeweils neu rekonstruiert. Das Gedachtnis kann durch Traume, Erzahlungen, Angste, Erwartungsdruck, Suggestivfragen oder andere Einflusse Erinnerungen entwickeln, denen kein reales Ereignis zugrunde liegt. In Extremfallen konnen falsche Erinnerungen an sehr traumatische Erlebnisse, die nie stattgefunden haben, insbesondere an sexuellen Missbrauch, erzeugt werden. Die/der Betroffene lugt nicht, sondern ist von der neu gewonnenen Erinnerung uberzeugt. Dieses false memory-Phanomen wurde erstmalig in den USA der 90er Jahre in sehr vielen Fallen bekannt. TherapeutInnen konnen KlientInnen durch suggestive Einflusse unbeabsichtigt dazu verleiten, Pseudoerinnerungen an Kindesmissbrauch zu entwickeln. Eine derartige Therapie ist nicht fachgerecht und basiert meist auf der Annahme, eine psychische Storung oder ein storendes Symptom sei auf Missbrauch in der Kindheit zuruckzufuhren. Die falsche Erinnerung fuhrt zu falschen Anschuldigungen und zerstort regelmassig Familien. Oft werden Polizei und Justiz eingeschaltet, demutigende und zermurbende Verfahren beginnen. Die Schaden im Leben sowohl der Therapierten als auch der zu Unrecht Beschuldigten sind - auch bei einem Freispruch - nicht wieder gut zu machen. Dr. Hans Delfs schildert detailliert Ablaufe und konkrete Beispiele. Er referiert allgemeinverstandlich und komprimiert die einschlagige wissenschaftliche Literatur. Damit dient das Buch nicht nur Betroffenen zur Orientierung. Es verhilft auch sozialen Hilfsorganisationen, Psychotherapeuten, der ermittelnden Polizei und Verfahrensbeteiligten der Justiz zu einem wissenschaftlich fundierten Uberblick.