Ein eindruckliches Zeugnis fur das irritierende Zugleich von Nahe und Distanz, das den deutsch-judischen Diskurs zu Beginn des 20. Jahrhunderts pragteRainer Maria Rilke hat sich zeitlebens fur das Judentum interessiert, sich aber kaum dazu geau ert - eine Ausnahme stellen seine 1921/22 an Ilse Blumenthal-Weiss gerichteten Briefe dar, die bisher nur in Teilen veroffentlicht waren und nun erstmals in der Form eines dialogischen Briefwechsels publiziert werden. Erganzt wird der Briefwechsel um Rilkes Beitrag zu der 1906 veranstalteten Rundfrage "Zur Losung der Judenfrage" sowie um Texte von Blumenthal-Weiss, die als Shoah-Uberlebende 1947 in die USA emigrierte. Lange vor der Rilke-Philologie beschaftigte sie sich dort in Vortragen und Artikeln mit Rilkes Verhaltnis zum Judentum (sowie anderen Aspekten seines Lebens und Werkes) und blieb eine kritische Beobachterin des deutsch-judischen Diskurses der Nachkriegszeit.